Sleep Matters
Warum Schlaf wichtig ist
Mit diesem Artikel möchte ich eine Serie starten, in der ich Konzepte und Themen vorstelle, die ich bei Hospitationen und Famulaturen bei ganzheitlich arbeitenden Ärzten und Therapeuten kennengelernt habe. Wer kennt es nicht? Es ist eigentlich viel zu früh, aber der Wecker klingelt schon. Nachdem man am letzten Abend zu spät ins Bett gegangen ist, kommt man morgens nicht gut in die Gänge. Für den nächsten Abend nimmt man sich vor früher ins Bett zu gehen, aber es gibt dann abends doch wichtigere Dinge zu tun… Warum lohnt es sich vielleicht doch Schlaf zu priosieren?
First things first: Schlaft wirkt sich aus auf:
- Die Lernfähigkeit und das Gedächtnis
- Die sportliche Leistungsfähigkeit
- Den Testosteronspiegel
- Die Gewichtsregulation
- Die Ausschüttung von Wachstumshormonen
Schlaf und Lernen
Während des Schlafes werden Informationen im Langzeitgedächtnis gespeichert und in das vorhandene neuronale Netzwerk integriert. Tagsüber Gelerntes wird im Hippocampus und im Cortex (=Großhirnrinde) gespeichert. Damit die Informationen langfristig im Cortex abgespeichert werden können, benötigt es eine Reaktivierung der gebildeten Synapsen durch den Hippocampus im Schlaf. Der Hippocampus dient sozusagen als „Zwischenspeicher“ und als „Verstärker“ des Cortex. Wenn dieser Prozess während des Schlafes erfolgreich war werden im Hippocampus wieder Kapazitäten frei, um neue Informationen aufzunehmen und wieder lernen zu können [1]. Passiert dies nicht, ist Gelerntes vom Vortag schlechter abrufbar und das Lernen am nächsten Tag ist erschwert.
“…we should recognizing sleep as a worthy and skillful operator that helps our brain to work at its best…” [1]
Stating the obvious: Studenten, die weniger lange und weniger gut schlafen, haben durchschnittlich schlechtere Noten, als Studenten die länger schlafen und sich tagsüber fitter fühlen [2, 3].
Schlaf, Sport und Testosteron
Sport ist nicht gleich Sport. Bei manchen Sportarten ist mehr Geschicklichkeit (Tanzen, Ballsport,…), bei anderen mehr Kraft und Ausdauer (Gewichtheben, Rudern,…) notwendig. Um leistungsfähig sein und sich kontinuierlich zu verbessern, sind eine optimale Regeneration und ein Vermeiden von Verletzungen wichtig. Beides wird vom Schlaf beeinflusst. Eine schlechtere Schlafqualität und weniger Schlafquantität können:
…das autonome Nervensystem („Stressachse“) beeinflussen und so beim Sport ein „Übertrainings-Syndrom“ begünstigen. Hynynen et al. konnten zeigen, dass die Herzratenvariabilität (HRV) am Morgen in übertrainierten Sportlern geringer war, als bei der Kontrollgruppe [4]. Eine geringere HRV korreliert mit einem erhöhten Verletzungsrisiko [5].
→ schlechtere Regeneration
→ schlechtere Performance
…dazu führen, dass mehr pro-entzündliche Botenstoffe freigesetzt werden, welche das Immunsystem negativ beeinflussen können [6].
→ schlechtere Regeneration
→ höhere Infektanfälligkeit
→ höhere Anfälligkeit für Verletzungen
→ schlechtere Performance
…kognitive Fähigkeiten reduzieren, was die Schnelligkeit und die Präzision, mit der man Bewegungen ausführen kann, verringert. Diese sind bei koordinativ anspruchsvollen Sportarten (wie Turnen, Ballsport, etc.) besonders von Bedeutung [6].
→ schlechtere Performance
→ erhöhte Verletzungsgefahr
Testosteron
Männer und Frauen produzieren nachts das meiste Testosteron. Unterbrechungen des Schlafes ist mit niedrigeren Testosteronspiegeln in Verbindung gebracht worden. Bei älteren Männern lässt sich sogar der Testosteronspiegel anhand ihrer Schlafzeit vorhersagen! Testosteron hat unterschiedliche Funktionen. Bei beiden Geschlechtern spielt es große Rolle beim Sexualverhalten, es beeinflusst die Muskelmasse, die Kraft, das Fettgewebe, die Knochendichte, die Vitalität und das seelische Wohlbefinden positiv [7].
Leproult et al. haben in einer Gruppe von 10 jungen Männern untersucht, wie sich die Testosteronspiegel verhalten, wenn sie nachts entweder 8 h oder 5 h schlafen. Sie konnten zeigen, dass sich die Testosteronspiegel am Tag um 10-15 % reduzieren, wenn die Schlafdauer geringer ist [7]. Man geht davon aus, dass die normale Alterung mit einem Absinken des Testosteronspiegels von 1-2 % pro Jahr einher geht. Wenn zusätzlich die Schlafqualität schlecht oder der Schlaf zu kurz ist, bedeutet das eine stärkere Belastung für den Körper, durch einen „Testosteronmangel“. Abzunehmen, die Muskelmasse zu erhalten oder aufzubauen, oder einfach gut drauf zu sein kann dann schwerer fallen.
Schlaf und der Stoffwechsel
Ein Mangel an Schlaf führt zu endokrinen und metabolischen Veränderungen. Die Toleranz für Glucose und die Insulinsensitivität nehmen ab, der Blutzuckerspiegel ist nach einer Mahlzeit dann für eine längere Zeit erhöht, was das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigert. Die Konzentration an Ghrelin, einem Hormon, dass das Hungergefühl stimuliert, ist erhöht. Die Konzentration an Leptin ist hingegen erniedrigt. Leptin ist ein Hormon, welches das Sättigungsgefühl verstärkt [8]. Außerdem konnten verschiedene epidemiologische Studien einen eindeutigen Zusammenhang zwischen einer schlechten Schlafqualität und einem erhöhten Risiko für Übergewicht feststellen [8].
Richtig entscheiden – Schlaf und Willenskraft
Wie viel Willenskraft man hat, hängt vom Schlaf ab. Eine interessante Publikation zum Thema Schlaf und dem Essverhalten wurde von Dan Pardi et al. durchgeführt. 40 Frauen und 10 Männer wurden in Gruppen aufgeteilt, die unterschiedlich lange schlafen konnten. 60 % – 130 % ihrer normalen Schlafzeit. Am Tag nach dem modifizierten Schlaf führten die Probanden verschiedene Tests durch. Unter anderem wurde ihre Aufmerksamkeit getestet und sie wurden nach ihrer subjektiven Müdigkeit gefragt. Zwischen den einzelnen Tests gab es verschiedene Angebote an Nahrungsmitteln, von denen die Teilnehmer frei wählen konnten. Den Teilnehmern war dabei nicht bewusst, dass ihr Essverhalten erfasst wurde. Es zeigte sich, dass “ungesündere” Entscheidungen bezüglich des Essens getroffen wurden, wenn sich die Probanden subjektiv weniger fit fühlten UND/ODER objektiv weniger fit und aufmerksam waren [9].
Wie gut wir schlafen bestimmt also mit welche Entscheidungen wir täglich in Bezug auf Essen und auch bei anderen Dingen treffen. Ist man müde, werden eher Chips, Kekse und co. gegessen. Ausgeschlafene haben scheinbar mehr Willenskraft, können sich deswegen eher kontrollieren und greifen zu subjektiv gesünderen Lebensmitteln wie z.B. Obst oder Nüssen.
Somatropin / IGF-1
Ein wichtiges Hormon, das das Gewicht reguliert ist das Somatropin (Wachstumshormon). Somatropin wird normalerweise in der Epiphyse hergestellt. Es spielt eine wichtige Rolle beim Wachstum im Kindes-/Jugendalter sowie dem Erhalt und der Regeneration des Gewebes verschiedener Organe, wie z.B. dem Gehirn. Nach der Ausschüttung bleibt es nur für wenige Minuten im Blutkreislauf, wo es unter anderem in der Leber die Produktion von IGF-1 (Insulin like growth factor) stimuliert.
Effekte von IGF-1:
Quelle: https://translational-medicine.biomedcentral.com/articles/10.1186/1479-5876-10-224
Ein Mangel an Somatropin und folglich IGF-1 im Erwachsenenalter kann verschiedene Auswirkungen haben: Erhöhte Körperfettmasse, reduzierte Muskelmasse, reduzierte Knochenmineraldichte, erhöhtes kardiovaskuläres Risikoprofil und allgemeine verringerte Lebensqualität. Wenn Muskeln aufgebaut oder Fett abgebaut werden sollen sind ausreichende Mengen an Somatropin notwendig. Die Ausschüttung von Somatropin findet unter anderem in der ersten Tiefschlafphase statt. Das freigesetzte Somatropin stimuliert dann die Bildung von IGF-1 in der Leber. Valcavi et. al haben herausgefunden, dass eine Supplementation mit einer supraphysiologischen Dosis Melatonin (Schlafhormon) von 10 mg die Somatropinspiegel im Blut steigen lässt [10]. Außerdem ist Schlafentzug mit niedrigeren IGF-1 Spiegeln assoziiert [11].
Eine ausreichende Schlafmenge und eine gute Schlafqualität können sich also positiv auf die eigene Produktion von Somatropin und IGF-1 auswirken!
→ Fettabbau, Muskelaufbau, Knochenwachstum, etc.
Was tun, um den Schlaf zu verbessern?
Wie merke ich, dass ich schlecht schlafe? Und wie kann ich meinen Schlaf verbessern? Ich habe ein Handout mit Tipps und Tricks von Experten auf dem Gebiet des Schlafes und der zirkadianen Rhythmik zusammengestellt. Schreibt mir bei Interesse eine kurze Nachricht über Facebook oder per Mail an vorbeckjustus@gmail.com.
Literatur
1 Feld GB, Diekelmann S. Sleep smart-optimizing sleep for declarative learning and memory. Frontiers in psychology 2015; 6: 622
2 BaHammam AS, Alaseem AM, Alzakri AA et al. The relationship between sleep and wake habits and academic performance in medical students. A cross-sectional study. BMC medical education 2012; 12: 61
3 Elagra MI, Rayyan MR, Alnemer OA et al. Sleep quality among dental students and its association with academic performance. Journal of International Society of Preventive & Community Dentistry 2016; 6: 296 – 301
4 Hynynen E, Uusitalo A, Konttinen N et al. Heart rate variability during night sleep and after awakening in overtrained athletes. Medicine and science in sports and exercise 2006; 38: 313 – 317
5 Sean Williams, Thomas Booton, Matthew Watson, Daniel Rowland, Marco Altini. Heart Rate Variability is a Moderating Factor in the Workload-Injury Relationship of Competitive CrossFit Athletes
6 Fullagar HHK, Skorski S, Duffield R et al. Sleep and athletic performance. The effects of sleep loss on exercise performance, and physiological and cognitive responses to exercise. Sports medicine (Auckland, N.Z.) 2015; 45: 161 – 186
7 Leproult R, van Cauter E. Effect of 1 week of sleep restriction on testosterone levels in young healthy men. JAMA 2011; 305: 2173 – 2174
8 Beccuti G, Pannain S. Sleep and obesity. Current opinion in clinical nutrition and metabolic care 2011; 14: 402 – 412
9 Pardi D, Buman M, Black J et al. Eating Decisions Based on Alertness Levels After a Single Night of Sleep Manipulation. A Randomized Clinical Trial. Sleep 2017; 40
10 Valcavi R, Zini M, Maestroni GJ et al. Melatonin stimulates growth hormone secretion through pathways other than the growth hormone-releasing hormone. Clin Endocrinol 1993; 39: 193 – 199
11 Chennaoui M, Drogou C, Sauvet F et al. Effect of acute sleep deprivation and recovery on Insulin-like Growth Factor-I responses and inflammatory gene expression in healthy men. European cytokine network 2014; 25: 52 – 57
Warum Trinkgeld?
All die Informationen, die ich – übrigens neben meiner normalen Berufstätigkeit – auf dieser Seite für euch aufbereite und zur Verfügung stelle, sind immer das Ergebnis von sehr arbeitsintensiven Tagen oder gar Wochen -> für Recherche (Studien, Interviews,..), Formulieren, Gegenlesen, etc… Alternativ könnte ich mein so erarbeitetes Wissen natürlich auch (..und lukrativer..) ausschließlich in meiner Eigenschaft als Personal Consultant in Einzel-Beratungen weitergeben.
Das ist aber nicht mein Ansatz! Mir ist vor allem auch wichtig, möglichst viele Menschen zu erreichen, die von den hier gesammelten Informationen, von der Kenntnis über wissenschaftlich neu gefundene Resultate und ihre Konsequenzen profitieren könnten.